„Krise im System“ titelte der Spiegel Online in seinem Beitrag am Sonntag, 26. Mai aus Anlass des neuesten Unternehmensskandals bei der Telekom und folgerte: Der Sittenverfall ist kein Zufall, sondern Systembedingt.
Wie bekannt, besteht der begründete Verdacht, dass die Telekom auf eine perfide Art und Weise überprüfte, ob Manager und Aufsichtsräte Kontakte mit Wirtschaftsjournalisten haben. Hierzu wurden heimlich Telefonverbindungsdaten ausgewertet, um angeblich undichte Stellen zu finden, die der Presse möglicherweise Informationen zuspielen. Das Pikante dabei, anscheinend wurden hierbei auch Telefondaten von Journalisten genutzt, um Abgleiche durchführen zu können.
Immerhin reagierte der neue Vorstand sofort, als die Sache durch ein fehlgeleitetes Fax ruchbar wurde und schaltete die Staatsanwaltschaft ein.
Journalistenverbände sehen angesichts dieser Methoden, die sie an Stasi-Zeiten erinnern, die Pressefreiheit in Gefahr.
Damit die Öffentlichkeit nicht die zurückliegenden Skandale, von denen der eine den anderen zu überdecken droht, vergisst, hat Spiegel Online die zurück liegenden Mega-Verstöße aufgelistet und zugleich mit neuen ergänzt. Zu Schmiergeld bei Siemens, Rotlicht und Babyphon bei VW, Kameraüberwachung bei Lidl und Burger King werden auch noch weitere verdächtige Unternehmen genannt, wie Bilfinger Berger (hat die Ermittlungen selbst eingeleitet) und die Düsseldorfer Sicherheitsfirma Klüh-Security addiert. Um das Bild nicht ganz so schwarz zu malen, wurde der Spekultionswahn der Landesbanken anscheinend gnädig übergangen.
Das Manager-Bild habe sich gewandelt, kritisiert der Spiegel. Das Image des skrupellosen Zockers scheine auf, der mit allen, auch illegalen Mitteln Profit machen wolle. Dahinter stecke der Druck Erfolge zu erzielen und dafür hohe Risiken einzugehen, da man davon ausgehen müsse, dass die Wettbewerber genau so handeln würden. Und wer wolle, wenn bei allen die guten Sitten verfallen, als Angsthase oder Verweigerer dastehen.
Fast jedes zweite deutsche Unternehmen sei laut PWC von Wirtschaftskriminalität betroffen heißt es. Was aber nicht bedeutet, dass es sich immer um Korruption, Vorteilsnahme, Untreue oder Schnüffel-Aktionen in einer Grauzone handelt, um die es hier geht.
Klar, wer in Nigeria oder bestimmten anderen Ländern Geschäfte machen will, sieht sich mit dem Thema Korruption konfrontiert. Internationale Verhaltensregeln nutzen hier nur, wenn sie eingehalten. Oder besser: kontrolliert werden.
Doch es geht um mehr, wie ich auf viralclash.com darstelle, um Haltungen und Unternehmenskultur, bei denen auch der Spiegel deutliche Defizite feststellt. Konzernstrukturen und Spitzenämter sind oft anfällig für einen gewissen Autismus, um es vorsichtig auszudrücken und ohne dies generalisieren zu wollen. Die Sensibilität kann hier schonmal auf der Strecke bleiben.
Allerdings gibt es auch andere Fälle. Vor einigen Wochen erlebte ich, wie bei einer Kundenveranstaltung ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank die harschen Worte eines bekannten deutschen Mittelständlers zurecht rückte. Während der meinte, dass über die Steuerzahlungen hinaus ein Unternehmen keine weiteren gesellschaftlichen Pflichten hätte, griff der sensibilisierte Deutsch-Banker ein und hielt dagegen.
Der Telekom-Skandal könnte auch noch mit Altlasten zusammenhängen, als die Pressestelle des Hauses unter Journalisten als Abwehr-Abteilung verschrien war. Wer früher mehr als Verlautbarungen aus dem Haus erhalten wollte, musste Umwege gehen. Das hat möglicherweise dazu geführt, dass an den Kommunikationsverantwortlichen so manche kritische Kommunikation vorbei gelaufen ist.
Auch daraus sollten gerade Pressesprecher lernen. Wer dicht macht und die totale Kontrolle sucht, darf sich nicht wundern, das plötzlich Quellen auf anderen Ebenen angestochen werden. Oder bestimmte Kreise die Presse für ihre Ziele mit Informationen instrumentalisieren.
Zu anderen schönen Beispiele aus dem Alltag von Journalisten gehören Anrufe bei Chefredakteuren durch forsche Kommunikationsverantwortliche, die verbieten wollen, dass ohne ihre Zustimmung über das Unternehmen recherchiert wird. Da werden Keulen bis hin zum Anzeigenstopp geschwungen, um kritische Berichterstattung zu verhindern. Scheinbar ohne die Folgen zu überlegen. Egal ob solch ein Verhalten auf Machtrausch, Wichtigtuerei oder Betriebsblindheit plus Konzern-Autismus zurück zu führen ist. Letztendlich ein Zeichen, dass anscheinend die Unternehmenskultur nicht stimmt. Ein Wert, der nur schwer in Euro zu bilanzieren ist, allerdings nachhaltig in- und extern wirkt.
Ist es Chuzpe oder Dummheit, mit der dann oft genug die Krise erst richtig angeheizt wird? Mit dem Handwerk der Krisenkommunikation hat dies, ebenso wie die Schnüffelaktion der Telekom, nichts zu tun. Um mögliche negative Berichte zu verhindern, entstand jetzt daraus ein Kommunikations-GAU, egal wie stark sich die Verdachtsmomente tatsächlich bewahrheiten. So mancher Kunde wird sich fragen, wie sicher sind dort meine Daten?
Man darf gespannt sein, wie die Krisenkommunikation des Hauses künftig ausfällt.