Unschuld teurer als Schuld – Bürger+Staat=Krise?

Vor einer Woche fühlte ich mich, als eine Gebührenrechnung der Justiz eintraf, stark an ein Erlebnis in einem südamerikanischen Land erinnert.

Dort wollte ich nach einem Diebstahl eine Anzeige erstatten. Nicht, weil ich hoffte, dass dies der Gerechtigkeit dient, sondern wegen der Versicherung.

Bei der Aufnahme der Anzeige wartete ich geduldig, bis der Beamte endlich die Tasten der Schreibmaschine bewegte. Nichts tat sich. Dann flüsterte mir jemand das Wort „Dollar“ ins Ohr. Daraufhin verschwand der Beamte, ich legte ein paar Dollarscheine zwischen die Papiere auf dem Schreibtisch, der Mann kam zurück, bemerkte die Dollarscheine zwischen seinen Unterlagen, schob alles in denSchreibtisch und begann endlich zu schreiben.

Natürlich ist mir das nicht so in Deutschland passiert. Nein, hier werden keine Dollarscheine von Beamten eingesteckt, sondern bei uns kommen Gebührenrechnungen vom Staat, die aber manchmal ein ähnliches Gefühl von Ohnmacht und Willkür hinterlassen.

Was ist passiert?

Nach einem Unfall kommt ein Bußgeldbescheid für zwei Ordnungswidrigkeiten, bei der eine zutrifft, die andere der Unfallgegner zu seinem Schutz erhoben hat. Gegen eine Ordnungswidrigkeit wird unter Angaben von Zeugen Einspruch erhoben.

Und, oh Wunder, wird diese auch zurück genommen. Auf dem Bescheid steht auch noch der schöne Satz: Bitte nicht zahlen, Rechnung abwarten. Diese ist dann alles andereals erfreulich. Für die Rückname des Bußgeldbescheides für die nicht begangene Ordnungswidrigkeit werden insgesamt über 46 Euro fällig. Sechs Euro höher das ursprüngliche Bußgeld.

Ein Anruf (nur zwischen 9 und 11 Uhr möglich) bringt mich nicht weiter: „Das hätte ihr Anwalt beim Einspruch klären müssen.“ Der bleibt gelassen, weil er das Spiel schon kennt und bittet, die Rechnung an ihn zu senden, zur Weitergabe an die Rechtsschutzversicherung: „Die bezahlt das Verfahren.“

„Und“, antworte ich, „erhöht im kommenden Jahr wieder für alle die Prämie.“

Nicht, dass mich jetzt unser Staat in die Krise gestürzt hätte oder dass mein Rechtsverständnis nun erschüttert sei. Wer hin und wieder Wirtschaftsprozesse im Rahmen der Krisenkommunikation beobachten muss, ist härteres gewohnt, insbesondere, wie sich persönliche Moralauffassungen oder Ideologien in die Prozessführung verirren.

Aber die Chuzpe, wie der Staat – vielleicht war es in diesem Fall auch nur ein übereifriger Beamter, der Angst hat, dass der Staat ihn bald nicht mehr zahlen kann – dem Bürgerin die Tasche greift, die verwundete mich denn doch. Zumal in diesem Fall die Schuldanerkenntnis billiger als die Unschuld gekommen wäre.

 

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