Dauerkrisen und die Guten, die Bösen und die Hässlichen

Die Debatte um den Fall Zumwinkel und folgende erinnert mich an den Titel von Sergio Leones Italo-Western „The Good, the Bad and the Ugly“ von 1966, dessen deutscher Titel „Zwei glorreiche Halunken“ in diesem Fall weniger zielführend ist.

Für die einen sind Zumwinkel & Co. einfach die Bösen, für die anderen die Hässlichen oder beides. Doch es gibt auch andere Meinungen, die allerdings nicht so weit gehen, in Herrn Zumwinkel einen Robin Hood gegen den Finanz-Sheriff Steinbrück von Nottingham zu sehen. Oder den Rächer der Unterdrückten, der gen Liechtenstein in den Sonnenuntergang reitet.

Nein, das nicht, aber warum nicht mal die Sache politisch unkorrekt betrachten, meinte ein intelligenter Beobachter: „Jagt hier nicht ein Raubritter den anderen?“ Das sei natürlich nur verkürzte Polemik, wir würden ja nicht mehr im Mittelalter leben, wo der Burgvogt Gessler (Schiller, Tell, Schweiz, Rütli-Schwur, Schweizer Bankentum) und andere böse Schergen dem rechtlosen Untertan den Zehnt und – auch mal ein wenig mehr – abpressten.

Vorsicht Glatteis.

   

Natürlich leben wir, anders als die Bürger des „Schurkenstaates“ Liechtenstein, in einer Demokratie, in der das Steuerrecht durch Volksvertreter legitimiert ist. Und den Zehnt, den gibt es längst nicht mehr. Auch nicht die Untertanen.

Aber wie kommt jemand zu solch einer politisch unkorrekten Aussage wie oben? Oder wie kommt es zu Aussagen, dass da eine Gruppe von Spitzenverdienern, die es nicht nötig zu haben scheint, Vermögen vor dem Zugriff des Finanzamtes ins „feindliche“ Ausland schafft? Ein Satz, der impliziert, dass diejenigen, die es nötiger haben, im Kleinen durchaus ein Recht auf Widerstand haben, wenn sie so manchen Posten steuermindernd geltend machen, der wenig mit tatsächlichen Betriebsausgaben zu tun hat.

Da hört man Stories, wie unkündbare Staatdiener (ein Wort, das ja auch bedeutet, dass diese Menschen nicht unbedingt dem Bürger dienen) mit schönen Altersversogungen Selbständigen und Kleinunternehmern das Leben schwer machen. Machen dürften, weil wir eine Steuergesetzgebung hätten, die nur für Menschen geschaffen sei, die genügend Geld hätten, ihre Steuerlast durch Steuerspar- und Verschiebungsmodelle zu drücken. Selbst gut verdienende Familienväter aus dem Mittelstand hätten angesichts der Lebenserhaltungskosten in Städten wie München kaum die Chance über solche Modelle ihre Steuerlast zu drücken usw. Und wer sich von den anderen in Graumarkt-Modelle begibt, um Steuern zu sparen, wird auch nicht immer glücklich.

Keine neuen Argumente.

Aber die Diskussion deckt auf, dass beim Thema Steuer sich viele Bürger noch als Untertanen fühlen, die heute lieber ihrem Fürsten ein Zehnt abgeben würden, wo doch schon der Mehrwersteuer-Regelsatz 19 Prozent beträgt.

Und wer an den Staat den vollen Satz zahlt und – nur ein Beispiel – etwa beim Schulsystem mit Nachhilfeausgaben etc. nachbessern muss, fragt sich, warum soll ich hier nicht korrigieren.Hinzu kommt, dass die Steuergesetze und Verordnungen so kompliziert sind, dass selbst Steuerberater, -juristen – und manch ein Finanzbeamter überfordert scheinen. Beweislastumkehrungen und die Besonderheiten im Rechtsweg bei Streitigkeiten mit Finanzbehörden scheinen noch aus Untertanenzeiten zu stammen. Man könnte auch noch mit dem unendlichen Thema Gesundheitssystem und Sozialversicherung Öl in das Feuer gießen, was die Diskussion freilich sprengen würde, sie aber in der Öffentlichkeit zusätzlich anheizt, da auch hier bei vielen Betroffenen ein Ohnmachtsgefühlt existiert.

Das Vertrauen in die Steuergesetze und ihre praktische Anwendung ist nicht erst durch Zumwinkel & Co. gefährdet. Die Reputation und damit die Legitimität des Staates ist in den Köpfen vieler Bürger schon lange angeschlagen. Mehr noch, es hat sich ein gefühltes Unrecht zementiert.Was jetzt zusätzlich hinzukommmt, dass es neben dem mehr oder weniger ehrlichen Steuerzahler anscheinend eine Kaste hochbezahlter „Leistungsträger“ (welch ein schönes Wort) gibt, die sich ganz ungeniert Zahlungen entzieht. Und dass es darunter, wie bei Herrn Zumwinkel, Saubermänner gibt, die Wasser predigen und heimlich Wein trinken, verschärft die Sache.

Basta, Du musst halt zahlen, reicht in einem Untertanen-Staat – mit den uns allen bekannten Folgen.Wir können nur hoffen, dass es in diesem Land gelingt nicht nur eine Legitimation der Steuererhebung per Gesetz durchzusetzen, sondern auch eine, die beim einfachen Bürger ankommt.Erst dann wird auch eine Mehrheit breit sein den schönen Ausspruch zu unterschreiben: „Frage nicht, was die Gesellschaft für Dich tut, frage, was Du für sie tun kannst.“

Roland Keller

        

3 thoughts on “Dauerkrisen und die Guten, die Bösen und die Hässlichen

  1. Solange es in Deutschland eine Diskrepanz zwischen dem, was recht ist und dem was gerecht ist gibt, glaube ich, dass der Staat und die Gesellschaft nicht aus der dauerhaften Legitimationskrise heraus kommen.

  2. Mir fällt da eine schöne Analogie ein:
    In den 50iger Jahren hielten viele Menschen die Verhältnisse in der DDR nicht mehr aus und flüchteten in den Westen.
    Die DDR baute die Mauer.
    Heute halten die Steuerzahler die Verhältnisse nicht mehr aus und schicken ihr Geld ins Ausland.
    Ist es da richtig eine Mauer zu bauen oder oder sollte man nicht die Verhältnisse verbessern?
    Die Flüchtlinge der DDR werden heute gelobt, die Steuer“flüchtlinge“ von heute werden gescholten.
    Irgendetwas passt da nicht zusammen.

  3. Ja, richtig. Das Stichwort „Verhältnisse“ sollte der Politik zu Denken geben.

    Und zwar im Bezug auf die gesamte Gesellschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der immer weniger zu erkennen ist. Auch weil die Politik in diesem Land ja alles zu regeln versucht und vor Wahlen alles verspricht, was immer mehr zu einer Entmündigung des Bürgers hinausläuft. Mische Dich nicht ein, Dein Staat reguliert alles, wenn Du genügend Steuer zahlst. Ja, keine Zivilcourage zeigen etc. Und wie viele Angestellte erkennen tatsächlich den Sinn und Zweck ihrer „Abzüge“, die sie ja nie in die Hand bekommen. Erledigt alles der Arbeitgeber. Der zieht ab, alles schön anonym geregelt.

    Übrigens hatten die Italiener lange eine Mauer um ihr Geld herum gebaut, die, glaube ich, erst Ende der 80er Jahre abgebaut wurde. Wer reiche italienische Freunde hatte, wurde gerne gebeten, doch ein Päckchen mit zunehmen, um es auf einer ausländischen Bank einzuzahlen, da sie selbst auf Flughäfen und an der Grenze streng kontrolliert und bestraft wurden, wenn sie einen höheren Betrag mit sich führten.

    Bei uns wurde ein grauer Finanzmarkt mit gigantischen Ausmaßen aufgebaut, der längst zu einem wichtigen Wirtschaftszweig mit zehntausenden von Arbeitsplätzen wurde, aber oft wenig zur echten Wertschöpfung beiträgt. Nicht zu reden von Geldvernichtungen. Stattdessen hätte man ja auch den privaten Geldüberhang stärker in volkswirtschaftlich sinnvolle und zukunftsfähige Wirtschaftszweige lenken können. Etwa durch Stärkung des Mittelstandes und von Branchen, die vom Staat subventioniert werden etc. Das ist zwar teilweise geschehen, doch ohne wirkliche Kraft und Perspektive – oder durch einen blindwütigen Aufbau Ost, der etliche Anleger (vor allem im Immobilienbereich) in Existenzprobleme trieb.

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